50 Jahre Landkreisgebietsreform
12.07.2022:
Gestern durften wir das 50. Jubiläum der Landkreisgebietsreform und somit den Landkreis Erding in seiner heutigen Form feiern. Landrat Martin Bayerstorfer betonte in seiner Ansprache, dass die Gebietsreform für den Landkreis Erding mit einer Vergrößerung um die ehemalige Gemeinde Schwindkirchen aus dem Landkreis Mühldorf sowie um das Gebiet der Gemeinden Isen, Mittbach, St. Wolfgang und Schiltern, Schnaupping, Westach und Pemmering aus dem aufgelösten Landkreis Wasserburg einherging. Diese wurden bis auf Isen und St. Wolfgang im Rahmen der Gemeindegebietsreform eingemeindet. Umgekehrt wurde Goldach dem Landkreis Freising zugeordnet.
Begrüßungsansprache von Landrat Martin Bayerstorfer
Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist schön, dass Sie so zahlreich unserer Einladung zu diesem Festakt nach Isen gefolgt sind. 50 Jahre nach der Landkreisgebietsreform wollen wir heute noch einmal dieses gewaltigen Einschnittes in die bayerische Landkreisstruktur gedenken.
Um ein Haar hätten wir ja dieses Jubiläum gar nicht feiern können, drohte doch die Auflösung des Landkreises Erding:
Ich zitiere: „Das durchaus idyllische Bild, das der Landkreis damals bot, trübte sich … nachhaltig, als die Bayerische Staatsregierung ihre Pläne zur Landkreis-Reform bekanntgab“, schrieb rückblickend die Süddeutsche Zeitung im August 1981.
„Diese Pläne sahen nämlich unverblümt vor, den Erdinger Gau einfach aufzulösen, was verständlicherweise nicht nach dem Geschmack des Landrates, aller Parteien, und auch der Bürger war.“ Zitat Ende.
Auflösung und Aufteilung, das Aus also drohte. Ich darf auch aus unserem Landkreisbuch zitieren:
"Der Landkreis Erding war von Auflösung bedroht", schreibt Herbert Knur in seinem Beitrag über die Gebietsreform.
"Es gab Protestveranstaltungen in den Gemeinden und zentrale Kundgebungen, bei denen von Landrat und Bürgermeistern, von Kreis-, Stadt-, Markt- und Gemeinderäten publikumswirksam die Gründe für den Erhalt des Landkreises Erding dargelegt wurden. Der Tenor war, dass es für die Reform der Landkreise Verständnis gebe, aber den eigenen Landkreis dürfe dies nicht betreffen."
Wir können uns also glücklich schätzen, heute hier zusammen gekommen zu sein, um uns über die Existenz und die Entwicklung des Landkreises Erding zu freuen.
Die Gebietsreform ging für den Landkreis Erding mit einer Vergrößerung um die ehemalige Gemeinde Schwindkirchen aus dem Landkreis Mühldorf sowie um das Gebiet der Gemeinden Isen, Mittbach, St. Wolfgang und Schiltern, Schnaupping, Westach und Pemmering aus dem aufgelösten Landkreis Wasserburg einher. Wie Sie alle wissen, wurden diese bis auf Isen und St. Wolfgang im Rahmen der Gemeindegebietsreform eingemeindet. Umgekehrt wurde Goldach dem Landkreis Freising zugeordnet.
Wir befinden uns in einer der Gemeinden, von der Teile ihre ehemalige „Heimat“, den Landkreis Wasserburg, verloren und in Erding, davon bin ich überzeugt, eine neue „Heimat“ gefunden haben:
Begrüßen Sie mit mir die Bürgermeisterin der Gemeinde Isen, Irmgard Hibler, sozusagen die Hausherrin unseres Festsaales, die anschließend auch ein Grußwort an Sie richten wird.
Ich freue mich, den heutigen Festredner begrüßen zu dürfen: Den Ehrenringträger des Landkreises, Professor Dr. hc. mult. Hans Zehetmair, Staatsminister a.D., Altlandrat und Mitglied des Kreistages von 1972-1986 und von 1990 -2014.
Sie, lieber Hans Zehetmair, werden die Landkreisgebietsreform, ihre Ursachen und Folgen für uns beleuchten, dafür bedanke ich mich sehr herzlich.
Mein Willkommensgruß gilt meinem Vorgänger im Amt des Landrats, Altlandrat und Ehrenringträger des Landkreises Erding, Xaver Bauer.
Herzlich begrüße ich Herrn Regierungspräsidenten Dr. Konrad Schober sowie seine Amtsvorgängerin Maria Els.
Weiter begrüße ich unseren Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Dr. Andreas Lenz.
Herzlich begrüße ich den ehemaligen Abgeordneten des Bayerischen Landtags und ehemaligen stellv. Landrat Jakob Schwimmer, der als früherer Bürgermeister von St. Wolfgang ebenfalls von der Gebietsreform betroffen war. Herzlich willkommen! Weiter begrüße ich ebenfalls Herrn Jakob Mittermaier, MdL a.D.
Ebenso begrüße ich meinen Stellvertreter, Herrn Bezirksrat Franz Hofstetter und den weiteren Stellvertreter des Landrats, Herrn Rainer Mehringer.
Ich begrüße selbstverständlich auch den ehemaligen stellv. Landrat und Oberbürgermeister Max Gotz sowie die ehemaligen weiteren stellv. Landräte, Ehrenringträgerin Marianne Rötzer, Gertrud Eichinger und Fritz Steinberger.
Herzlich willkommen heiße ich auf Frau Bezirksrätin Maria Grasser.
Ich begrüße alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ganz herzlich, namentlich und stellvertretend für Sie alle den Kreisvorsitzenden des Bayerischen Gemeindetages, Hans Wiesmaier.
Die Bedeutung der heutigen Veranstaltung kann ich auch daran ablesen, dass die Mitglieder des aktuellen Kreistages nahezu vollzählig anwesend sind.
Stellvertretend begrüße ich die Fraktionsvorsitzenden: Dr. Thomas Bauer, CSU, Georg Els, FW, Florian Geiger, Grüne, Gertrud Eichinger stv. SPD, Wolfgang Kellermann, AfD.
Auch ehemalige Kreisräte sind der Einladung gefolgt.
Ich begrüße stellvertretend für sie alle Herrn Ministerialdirektor a.D. Josef Erhard, den Paten unserer Bildungsregion Landkreis Erding.
Ich begrüße unseren Kreisheimatpfleger, Hartwig Sattelmair.
Es freut mich, dass auch zahlreiche Vertreter von Ämtern und Behörden gekommen sind. Stellvertretend für Sie alle begrüße ich Herrn Amtsgerichtsdirektor a. D. Horst Belling.
Die Leitung unseres Klinikums Landkreis Erding ist ebenfalls gekommen; ich begrüße namentlich den stellv. Klinikdirektor Dr. Jan Güssow.
Mein Willkommensgruß gilt auch dem stv. Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Erding-Dorfen, Herrn Ulrich Sengle, sowie dem Vorstandsvorsitzenden der VR-Bank Erding, Herrn Johann Luber.
Für die heimische Wirtschaft begrüße ich den amtierenden Kreishandwerksmeister Rudolf Waxenberger.
Begrüßen möchte ich auch die Leiter der Schulen, stellvertretend Herrn Josef Hanslmaier von der Realschule Taufkirchen/Vils.
Für die musikalische Umrahmung sorgt die Blaskapelle Isen, herzlichen Dank und herzlich willkommen!
Dank und Gruß möchte ich auch an das Team des Gasthauses Klement richten, das uns heute kulinarisch verwöhnen wird.
Willkommen heiße ich natürlich auch die Vertreter der Medien und bedanke mich schon an dieser Stelle für Ihre Berichterstattung.
Meine Damen und Herren, Sie alle, auch wenn ich Sie nicht namentlich erwähnt habe, heiße ich ganz herzlich willkommen. Sie alle tragen – ob beruflich oder ehrenamtlich – dazu bei, dass unser schöner und erfolgreicher Landkreis Erding sich so prächtig entwickeln konnte wie er es getan hat. Nicht umsonst wächst die Bevölkerung nach wie vor stetig an. Nicht umsonst bekennen die Menschen, Einheimische, Zugezogene und Gäste, wie gerne sie im Landkreis Erding leben oder sich hier aufhalten.
Sie alle, meine Damen und Herren, leisten Ihren Beitrag dazu, dass wir heute mit Stolz und mit Recht sagen können: Es war richtig und es hat sich gelohnt, den Landkreis Erding überleben zu lassen. Trotz unterschiedlicher geographischer und wirtschaftlicher Strukturen ist unser Landkreis nicht einfach eine verwaltungstechnisch zusammen gefasste Gebietskörperschaft.
Die rund 140.000 Bürgerinnen und Bürger unserer 26 Städte, Märkte und Gemeinden leben in einem Landkreis, der ihnen Chancen bietet, Wohlbefinden und Zugehörigkeit.
Sie, liebe Mandatsträger und ehemalige Mandatsträger im Kreistag, in den Stadt-, Markt- und Gemeinderäten, sorgen mit Ihrer Arbeit, mit Ihrem Engagement dafür, dass der Landkreis Erding trotz aller Verschiedenheiten, die ihn ja auch interessant und vielfältig machen, eine starke Einheit ist und auch als diese wahrgenommen wird.
Ihnen allen gilt mein Dank. In der festen Überzeugung, dass der Landkreis Erding eine ebenso erfolgreiche Zukunft vor sich hat, möchte ich schließen und für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.
Festrede von Staatsminister a.D. ,Prof. Dr. h.c.mult. Hans Zehetmair
Sehr geehrte Damen und Herren,
ein berühmtes Wort unseres Dichters Friedrich Schiller besagt:
„Dreifach ist der Schritt der Zeit:
Zögernd kommt die Zukunft hergezogen, pfeil-schnell ist das Jetzt entflogen, ewig still steht die Vergangenheit.“
Diese einprägsame Formulierung hat zweieinhalb Jahrtausende früher der griechische Philosoph Heraklit in die beiden Worte gefasst: „Panta Rhei – Alles fließt.“ Der Brunnen auf dem Alois- Schießl-Platz trägt sie auf meinen Vorschlag hin als Inschrift.
Wir erleben gerade bei der wetterwendischen Hektik der Agenda und bei der Kurzlebigkeit der Events das Fehlen von Inhalten und Besinnung.
Jubiläen sind Gelegenheiten, inne zu halten und sich zu vergegenwärtigen: Was war? Was ist? Was wird?
50 Jahre nach der Landkreisgebietsreform wollen wir heute noch einmal dieses gewaltigen Ein-schnittes in die bayerische Landkreisstruktur und Kommunalkultur gedenken. Es ist ja durchaus keine Selbstverständlichkeit, dass der Landkreis Erding diese Feierlichkeit überhaupt ausrichten und dazu einladen konnte.
Es war nicht auszuschließen, dass den Landkreis Erding das gleiche Schicksal ereilt wie unseren ehemaligen Nachbarn, den Landkreis Wasser-burg.
50 Jahre nach diesem historischen Ereignis wol-len wir darauf zurückschauen, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist, welche Vorausset-zungen gegeben waren, welche politischen Strö-mungen die geschichtlichen Ereignisse geprägt haben, derer wir heute gedenken wollen.
Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts wollte uns der damalige Kaiser Wilhelm II „herrlichen Zeiten entgegen führen“, wie er bei der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert in maßloser Über-heblichkeit verkündet hat und musste doch in der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts enden, näm-lich dem 1. Weltkrieg.
Dessen Ausgang kostete ihn und andere Monar-chen den Thron, abgesehen von dem unsäglichen Leid, das dieses Völkerringen über die Menschen gebracht hat.
Die Bevölkerung Bayerns hat dabei der Verlust der Wittelsbacher, die als Herzöge, Kurfürsten und zuletzt als Könige 738 Jahre lang die Geschi-cke unserer Heimat und damit auch Erdings be-stimmt haben, besonders schmerzlich empfun-den.
Die schlimmste Folge des 1. Weltkrieges war, dass die Einführung der Demokratie im Rahmen der Weimarer Verfassung auf gedemütigte Her-zen traf, die unter den Nachwirkungen dieses Krieges zu leiden hatten.
Diese Situation bot einen Nährboden für links- und rechtsextreme Strömungen. Schließlich überwo-gen die rechtsradikalen politischen Kräfte. Das zarte Pflänzchen der Demokratie, das in der Weimarer Republik zaghaft aufgekeimt war, wur-de durch das Hitler-Regime brutal zerstört.
Die ersten sechs Jahre dieser unseligen Herr-schaft haben genügt, um unser Volk durch Irre-führung und Gewalt in den 2. Weltkrieg zu führen, der mit der bedingungslosen Kapitulation endete. Nach dem Ende der Diktatur lag Deutschland in Schutt und Asche. Gerade in dieser Situation konnte und musste unser Land und damit voran unsere Kommunen Stück für Stück durch Selbst-tätigkeit und Selbsthilfe vor Ort aufgebaut werden.
In dem Vierteljahrhundert von 1946-1972 wurden funktionsfähige kommunale Strukturen aufgebaut, die deshalb bis heute so erfolgreich sind, weil un-ser Staat vom einzelnen Bürger ausgeht und so-mit von unten nach oben aufgebaut ist. Diese De-vise ist auch heute gültig, sollte es jedenfalls nachdrücklich sein.
Besondere Bedeutung kommt dabei dem Subsidi-aritätsprinzip zu, das jeder Ebene die Aufgaben zuweist, die sie am besten erledigen kann. Das bedeutet Augenmaß, Selbstbescheidung und Verantwortung.
Die Landkreise fungieren hierbei in bewährter Weise als Scharnierstellen zwischen dem Land und den Kommunen.
Im Mittelpunkt steht der Mensch (jedweden Ge-schlechts), seine angestammte Kultur, sein Brauchtum und seine Heimat.
Die fortschreitende technische Entwicklung und die wirtschaftlichen Veränderungen machten nach und nach deutlich, dass der geographische Zu-schnitt kleiner und kleinster Einheiten unserer Städte, Märkten und Gemeinden den sich neu stellenden Aufgaben nicht mehr entsprechend ge-recht werden konnte.
Daher war es angezeigt, durch die Gemeindege-bietsreform und die Landkreisgebietsreform in ei-ne tragfähige Zukunft zu führen. Dabei sei daran erinnert, dass die Diskussionen um die Gemein-degebietsreform bereits 1969 und für die Land-kreisgebietsreform 1971 begannen.
Der Landkreis Erding fand seine heutige Form im Jahr 1978, nachdem noch eine Nachkorrektur-phase nach 1972 eingeräumt wurde. In diesem Zusammenhang sei in Erinnerung gerufen, dass sich die Grenzen von Gebietskörperschaften im-mer einmal geändert haben.
Beispielsweise gehörte unser heutiger Landkreis jahrhundertelang zu Niederbayern und wurde erst in der napoleonischen Zeit Oberbayern zugeord-net.
Landkreis- und Gemeindegebietsreform waren fest miteinander verknüpft. Zuerst mussten die groben Landkreisgrenzen gezogen und eine Struktur geschaffen werden, weil man wusste, dass die Gemeindegebietsreform noch schwieri-ger als die Landkreisgebietsreform werden und länger dauern würde. Die beiden Reformwerke wurden unterschiedlich wahrgenommen.
Politisch überregional werden Struktur und Ideen (bzw. Ideologie) diskutiert. So auch in Bayern, wo der SPD- Rothemund-Plan auf die Abschaffung der Landkreise und Landratsämter zielte. Eine klare Mehrheit war für die dann realisierte Struk-tur. Entscheidend war das Votum für ein ange-messenes Maß an Verantwortung (bottom up).
Die Landkreisbevölkerung interessiert sich nicht so sehr für den Landkreis als Ganzen, aber dafür, was mit ihrer eigenen Gemeinde passiert. Bei ei-nigen Gemeinden ging es schneller als bei ande-ren.
Die Zeit der Gebietsreformen war sehr turbulent. Mit einem solchen Reformwerk war zwangsläufig eine erhebliche Geräuschkulisse verbunden, vor-nehmlich und verständlicherweise aus der Rich-tung jener Landkreise, deren Auflösung zur De-batte stand. Als damaliger Kommunal- und Lan-despolitiker hatte ich mir das Ziel gesetzt, mit al-len Möglichkeiten um den Erhalt des Landkreises Erding zu kämpfen. Die Besuche bei unserem damaligen CSU-Parteivorsitzenden Franz-Josef Strauß und bei Innenminister Bruno Merk haben dann noch viel in Bewegung gebracht.
Bruno Merk war für eine große Lösung, Erding und Freising sozusagen als Flughafenregion zu-sammenzulegen. Dagegen habe ich argumentiert, dass diese Zusammenlegung gegen den Heimat-gedanken sei und die positive Konkurrenz hem-me. Wir brauchen vor Ort verantwortliche Frauen und Männer. Letztendlich war unsere Beharrlich-keit und Zielstrebigkeit erfolgreich.
Das vorrangige Ziel dieser Reform war, geschlos-sene Einheiten zu schaffen, die auch im späten 20. Jahrhundert und darüber hinaus leistungsfähig sein konnten.
Dabei wurde ein schlüssiges Reformkonzept ent-wickelt, das leistungsstarke, und vor allem wett-bewerbsfähige Verwaltungseinheiten mit der Nähe zu den Bürgerinnen und den Bürgern des Land-kreises schuf.
Für mich ist Demokratie auch immer eine Vorzei-gemöglichkeit, braucht also Transparenz. Wichtig war hier wie immer, dass man die Landkreisbe-völkerung zu den essenziellen Fragen mitnehmen musste. Man muss in den Menschen das Be-wusstsein für Verantwortung stärken, sei es in der Familie, in der Gemeinde und auch für unser Land.
Dass diese Reformen nicht von heute auf morgen und ohne Gegenwehr durchgeführt werden konn-ten, das zeigten immer wieder teils heftige Dis-kussionen innerhalb der Bevölkerung und auch in Politikerkreisen.
In der Rückschau lässt sich feststellen, dass die Landkreisgebietsreform und die Gemeindege-bietsreform absolut notwendig waren, hinsichtlich der Kompetenz der Verwaltung und ihre Umset-zung insgesamt gelungen ist: Der Landkreis ist gestärkt aus der Reform hervorgegangen.
Die neu hinzugekommenen Gebietsteile haben von der Reform profitiert und eine gleichrangige Stellung durch den Kreistag und die Verwaltung erfahren. Die Bürgermeister sind dadurch selbst-sicherer geworden, es wurde das Bewusstsein gestärkt, dass eine komplizierte Demokratie ge-festigte Strukturen braucht. Dies alles hat mit der Verantwortung von Personen zu tun.
Gerade deswegen habe ich mich so massiv für die Landkreisgebietsreform eingesetzt.
Und dieser Einsatz hat wahrlich gute Früchte ge-tragen:
Der Landkreis Erding hat einen überschaubaren Zuschnitt bekommen. In einem Raum von 26 Städten, Märkten und Gemeinden kann sich jeder unserer rund 140.000 Einwohner noch wirklich beheimatet fühlen.
Hier kann jeder und jede seine Mitbürger noch als echte Nachbarn erleben. Hier sind die Menschen noch bereit – gerade im Rahmen überschaubarer Strukturen- sich für einander einzusetzen.
Dieser glücklichen Situation verdanken wir auch, dass sich unsere Landkreisbewohner in so hervor-ragendem Maß ihre Fähigkeiten im Ehrenamt ein-bringen.
Konkret finden wir unsere Bürgerinnen und Bürger jahraus, jahrein im Einsatz bei den Freiwilligen Feuerwehren, bei den Rettungs- und Sanitäts-diensten, in den vielen, vielen Sport- und Schüt-zenvereinen, in den sozialen Organisationen, im kulturellen Bereich in Theater-, Musik- und Trach-tenvereinen und nicht zuletzt „mit Abstrichen“ in der Kommunalpolitik.
Dieses Engagement würdigen wir regelmäßig in Veranstaltungen und Auszeichnungen des Land-kreises, für die erbrachten Leistungen und Ver-dienste unserer Landkreisbürgerinnen und -bürger.
Sichtbar wird diese öffentliche Anerkennung, die der Landkreis regelmäßig zum Ausdruck bringt in Veranstaltungen wie der Sportlerehrung, der Ver-leihung des Feuerwehrehrenzeichens, der BRK-Ehrung, des Regionalwettbewerbes „Jugend mu-siziert“, Vorlesewettbewerb, Fassadenpreis, Fest der Internationalen Begegnung
(das heuer übrigens, von Ingrid Sollanek initiiert, zum 43. Mal stattfinden konnte) und Einbürge-rungsfeier, Ehrung verdienter Sammler für die Kriegsgräber, Ehrenamtsempfänge und Ehren-abende für die Pflegeeltern, Kultur- und Umwelt-preis des Landkreises Erding, Ehrungen für lang-jährige kommunalpolitische Tätigkeit bis hin zur höchsten Auszeichnung des Landkreises, dem Goldenen Ehrenring.
Der kurze Einblick zeigt, dass unsere Erdinger Bürger Tag für Tag leben sollen, was Präsident Kennedy einmal so formuliert hat:
„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt!“ Und unser erster Bundespräsident Theodor Heuss hat be-tont: „Kulturpolitik ist in erster Linie Kommunalpoli-tik.“
Dadurch wird auch der Gefahr entgegengewirkt, bei jedem Malheur sofort nach Zentralisierung zu rufen und bewährte Strukturen in Frage zu stellen. Die Pandemie hat ein breites Engagement „auf dem Lande“ bewirkt.
In meiner Zeit als Kultusminister habe ich das Schuljahr 1987/88 unter das Motto gestellt: „Hei-mat bewusst erleben!“ Um das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie große Fakten über die Medienflut unter der Devise „bad news are good news“ die örtlichen Ereignisse verdrängen und um anderer-seits Kultur und Brauchtum in Erinnerung zu brin-gen.
Dorfkultur hat neue Hochkonjunktur.
„Heimat bewusst erleben“: die reiche Kirchenland-schaft des Landkreises anhand konkreter Beispie-le im Nahbereich aufsuchen, den Rathausalltag erleben,
die Wegkreuze und Flurdenkmäler unserer Vor-fahren und die Praxis der Flurbereinigung auf un-seren Feldern wahrnehmen, Umweltschutz, Kul-turpflege und Brauchtum sich zur Aufgabe zu ma-chen.
Das bewusste Erleben heißt nicht, nostalgisch zu-rückzuschauen, sondern die lebendigen und trag-fähigen Elemente der Vergangenheit sich zu ei-gen zu machen und weiterzuentwickeln. Gute Ge-legenheiten sind die Jubiläen unserer Vereine für unsere Eltern, Lehrer und Schüler.
Es kommt somit nicht auf den Unterricht allein an, sondern auf die Erziehung. Diese Erkenntnis hat unser Schriftsteller Adalbert Stifter in die Worte gefasst: „Erziehen ist schwieriger als unterrichten.
Zum Unterricht muss man etwas wissen, zur Er-ziehung etwas sein.“ Eine beherzigenswerte Mah-nung, die die alten Römer in die Maxime gegos-sen haben: Verba docent, exempla trahunt. (Wor-te belehren, Beispiele reißen mit)
Ich wünsche unserem Jubiläum nicht, nach einem Wort des Schriftstellers Bert Brecht „Der Vorhang ist zu und alle Fragen offen.“ Was in dem Schlusswort endet. „Du musst ein anderer Mensch sein.“
Möge der Landkreis auf dem Weg der Bildung und Besonnenheit – trotz schwieriger Großwetter-lage – mit Gottes Hilfe weiterschreiten. Per aspe-ra ad astra (Durch Schwierigkeiten zum Erfolg).
Nach einem dreiviertel Jahrhundert Frieden und Wohlfahrt in Europa sehen wir nun graue Wolken am Horizont auftauchen. Möge es den Völkern dieser Erde vergönnt sein, dass sie erfolgreich da-rauf hinwirken können, den Weltfrieden zu erhal-ten.
„Das größte Wunderding ist doch der Mensch al-lein: Er kann, nachdem er's macht, Gott oder Teufel sein.“ Man könnte jetzt bei diesem Wort von Angelus Silesius gegebenenfalls an Putin denken.
Wegweisen kann für uns Gotthold Ephraim Les-sing sein, wenn er sagt: „Wenn Gott in seiner Rechten alle Wahrheit und in seiner Linken den einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, obschon mit dem Zusatze, mich immer und ewig zu irren, verschlossen hielte und spräche zu mir: wähle! Ich fiele ihm mit Demut in seine Linke und sagte: Vater gib! die reine Wahrheit ist ja doch nur für dich allein!“
Lassen wir uns dennoch nicht entmutigen, begrei-fen wir diese Krise als Chance, wie wir es bei der Aufnahme der ukrainischen Kinder gezeigt haben.
Unsere Anstrengungen sollten wir darauf richten, die Dinge zum Guten zu wenden. Es liegt an uns Allen!